VaterschaftsurlaubVäter sollen Babyurlaub mitfinanzieren
Wer Vaterschaftsurlaub beanspruchen will, soll diesen mitfinanzieren. Mit dem neuen Vorstoss wollen Politiker aller Couleur dem Anliegen zum Durchbruch verhelfen.

Die Schweiz kennt keinen gesetzlich geregelten Vaterschaftsurlaub.
Die Ausarbeitung einer Regelung für den Vaterschaftsurlaub gleicht in der Schweiz einer Zangengeburt. Seit dem Jahr 2000 wurden mehrheitlich von linker Seite neun unterschiedliche Vorstösse für die Schaffung eines Vaterschaftsurlaubs eingereicht. Bisher blieben alle erfolglos.
Doch nun soll Bewegung in die Diskussion kommen. Mit einem «komplett neuen Lösungsvorschlag» wollen Männer- und Väterorganisationen zusammen mit einer überparteilichen Politikergruppe den Vaterschaftsurlaub doch noch ermöglichen.
Keine Belastung für Arbeitgeber
Wie Recherchen von 20 Minuten Online zeigen, unterscheidet sich der Vorstoss in einem zentralen Punkt von den bisherigen Vorschlägen. Während die bekannten Modelle stets von einer Rundumfinanzierung durch den Staat -über die Erwerbsersatzordnung oder die Mehrwertsteuer - ausgingen, setzt die überparteiliche Gruppe gemäss gut unterrichteten Quellen auf eine finanzielle Beteiligung der Nutzniesser. Wer Väterzeit beanspruchen will, soll sie durch eigene Beiträge mitfinanzieren, ohne dass die Arbeitgeber zusätzlich belastet werden. Die Initianten bestätigen diese Angaben.
«Unser Modell fördert die Eigenverantwortung der Eltern», ist Andrea Geissbühler, SVP-Nationalrätin und Mitglied der überparteilichen Gruppe, überzeugt. Deshalb könne sie als SVP-Politikerin das Modell unterstützen. «Bei unserem Vorstoss liegt es grundsätzlich an den Vätern und Familien, etwas für die zusätzliche Zeit mit den Sprösslingen zu tun.» Zudem blieben damit die Sozialversicherungswerke von einer zusätzlichen finanziellen Belastung verschont und es würden keine neuen Steuern anfallen.
Norbert Hochreutener, Berner CVP-Nationalrat und ebenfalls Mitglied der Gruppe betont, dass die neue Lösung auf keinen Fall die KMU belaste. Die weiteren Gruppenmitglieder Anita Fetz (SP), Christian Wasserfallen (FDP) und Alec von Graffenried (Grüne) wollten sich bis zur Präsentation am Montag nicht äussern.
Gute Chancen
Dafür spricht CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer, die sich seit 2008 mit verschiedenen Vorstössen für das Thema stark macht. Sie rechnet einer neuer Finanzierungsform gute Chancen aus: «Das Modell klingt verlockend und ist vielleicht noch mehrheitsfähiger als mein Vorschlag.» In ihrer jüngsten Motion vom April schlägt Schmid-Federer einen unbezahlten Vaterschaftsurlaub von maximal vier Wochen vor. Unbezahlt deshalb, weil der Bundesrat sich bisher immer klar gegen einen staatlich finanzierten Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung ausgesprochen hat.
SP-Nationalrat Roger Nordmann, der sich selbst seit mehreren Jahren für «einige Wochen Vaterschaftsurlaub» engagiert, überzeugt der neue Vorschlag hingegen nicht. «Die Lösung ist für mich nicht das Gelbe vom Ei», sagt er. Er unterstütze lieber die Motion von EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Keller.
Diese fordert zwei Wochen Vaterschaftsurlaub, welcher analog zum Mutterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung finanziert werden soll. «Ich halte diesen Vorschlag für einen guten und bescheidenen Ansatz, der finanziell absolut tragbar ist», so Nordmann. Zudem warnt er vor der «Vorstossflut», die momentan im Gange sei: «Besser alle gemeinsam für eine Lösung als viele einzelne für verschiedene Lösungen.»
Die Praxis in anderen Ländern
Deutschland: Das 2007 eingeführte Elterngeld wird für maximal 14 Monate gezahlt. Die Eltern können den Zeitraum frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil muss mindestens zwei und kann höchstens zwölf Monate beziehen. Das Elterngeld beträgt in der Regel 67 Prozent des Erwerbseinkommens.
Island: Die maximale Bezugsdauer beträgt neun Monate. Mutter und Vater haben einen Anspruch von je drei Monaten. Zusätzlich können wahlweise die Mutter und der Vater weitere drei Monate beziehen. Der Einkommensausfall wird zu 80 Prozent abgedeckt.
Frankreich: Im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub können die Eltern einen einjährigen unbezahlten Erziehungsurlaub nehmen, mit der Garantie an die frühere oder eine gleichwertige Arbeitsstelle zurückzukehren.
Österreich: Eltern erhalten ein Kindergeld, entweder pauschal für maximal 24 Monate oder einkommensabhängig. Im Pauschalsystem besteht die Möglichkeit, bis 60 Prozent der letzten Einkünfte vor der Geburt dazuzuverdienen.
Schweden: Die Elternzeit beträgt 480 Tage, die zwischen den Eltern aufgeteilt werden können. Je 60 Tage sind für die Mutter beziehungsweise den Vater reserviert. Während der ersten 390 Tage beträgt das Elterngeld 80 Prozent des Bruttolohns, während der folgenden Tage circa 70 Franken.